Derzeit wird an der Entwicklung einer neuen Generation von Tests für die klinische Anwendung gearbeitet, mit der in der erwachsenen Bevölkerung häufig vorkommende Krankheiten diagnostiziert werden können. Gemeint ist der sogenannte polygene Risikoscore (Polygenic Risk Score, PRS).

Dieses Tool erfasst Hunderte bis Tausende von Genmarkern (keine Mutationen), die einzeln nur eine sehr geringe Wirkung auf die Krankheit haben. Mithilfe einer mathematischen Berechnung ist es möglich, die Wirkung abzuschätzen, die diese Varianten kombiniert ausüben. Denn alle diese Varianten zusammen haben ein sehr ähnliches Gewicht wie eine Genveränderung. Im Gegensatz zu einer sehr seltenen Genmutation sind diese Marker jedoch bei allen Menschen vorhanden und können somit für die Einschätzung eines Erkrankungsrisikos und insbesondere für Massnahmen zu dessen Senkung genutzt werden.

Der PRS hat zwei grosse praktische Anwendungsbereiche:

Die erste Anwendung besteht in der Früherkennung von Personen mit dem Risiko, eine in der Allgemeinbevölkerung häufig vorkommende Krankheit zu entwickeln, insbesondere eine kardiovaskuläre (z. B. eine Herzkrankheit) oder eine Stoffwechselerkrankung (z. B. Diabetes Mellitus Typ 2). Es wurde nachgewiesen, dass risikosenkende Massnahmen (etwa körperliche Bewegung) den Risikograd einer Person so stark mindern können, dass sie in eine tiefere Risikokategorie eingestuft wird (N Engl J Med 2016; 375: 2349-2358). Auch lassen sich gewisse Komplikationen wie eine Retinopathie (Gefässkrankheit des Augenhintergrunds, die bei Diabetikern auftreten kann) vorhersagen, wodurch sich diese Personen für eine spezielle Überwachung sowie eine künftige, gezielte Therapie qualifizieren (Nat Genet (2020). https://doi.org/10.1038/s41588-020-0637-y).
Die zweite Anwendung betrifft die Veranlagungen für gewisse Krebsarten (beispielsweise Brust- oder Prostatakrebs).

Genesupport - Genetische Veranlagungen